Offener Brief der Fanrat-Frauen an Marion Walsmann (CDU)

Offener Brief der Fanrat-Frauen an Marion Walsmann (CDU) über Zutrauen, bröckelndes Vertrauen und über die Kernaufgaben der öffentlichen Hand

Sehr geehrte Frau Walsmann,

der Fanrat Rot-Weiß Erfurt e.V. veranstaltete am 27. März eine Podiumsdiskussion, bei der es um das Verhältnis der Stadt Erfurt zum FC Rot-Weiß ging und bei der Sie als Oberbürgermeisterkandidatin der CDU eine der Diskussionsteilnehmerinnen waren. Trotz Wahlkampf erlebten wir Sie dort als eine Frau, die größtenteils sachlich und faktenbasiert argumentierte.

Mit Datum 5. April schrieben Sie nun ausgewählte Erfurterinnen an, darunter auch einige Fanrat-Frauen, und das wohl in der Annahme, dass wir uns aufgrund unseres Geschlechts mehrheitlich nicht für Fußball interessieren. Das nennt man dann wohl Sexismus – und den hatten wir bei Ihnen nicht vermutet, eher bei Ihren politischen Gegnern weiter rechts von Ihnen. Sie schrieben in Ihrem Brief „Herr Bausewein mag dafür sein, den Profifußball bei Rot-Weiß weiter mit Steuermitteln zu unterstützen. Ich will dieses Geld lieber in Schulen investieren.“ und zu diesen beiden Sätzen möchten wir Ihnen folgende Zeilen öffentlich mitteilen:

Was die Fanrat-Frauen Ihnen zutrauen

Wir sind uns nicht sicher, ob diese Zeilen direkt von Ihnen kommen oder von einer/einem übereifrige/n Wahlkampfmitarbeiter*in. Eine genaue Prüfung der Briefe, die in Ihrem Namen öffentlich verschickt werden, hätten wir Ihnen allerdings zugetraut.

Und wir vertrauen auch darauf, dass Sie die Interessen aller Bürger*innen Erfurts vertreten und dabei nicht einzelne Gruppen gegen andere ausspielen. Sie müssen wissen, und offenbar haben Sie dieses Zusammenhang bisher vernachlässigt, dass es viele Erfurter*innen gibt, die sowohl zu den Heimspielen des FC Rot-Weiß Erfurt und ins Theater gehen und die gleichzeitig auch noch wollen, dass die Erfurter Schulen in einen guten Zustand versetzt werden bzw. darin erhalten bleiben. Als Kurzzeit-Finanzministerin des Landes Thüringen haben Sie Ihren Einfluss für eine deutliche Erhöhung der Investitionen in den Schulbau jedenfalls nicht genutzt – und genau auf diese Unterstützung des Landes ist eben auch die Kommune Erfurt angewiesen, aber das wissen Sie aus Ihrer langjährigen politischen Erfahrung ja alles. Leider haben Sie diese Zusammenhänge nicht öffentlich geäußert.

Trauen die Fanrat-Frauen Ihnen zu viel zu?

Nach den Eindrücken bei der Podiumsdiskussion nahmen wir an, dass Sie das Thema Unterstützung des FC Rot-Weiß mit Steuermitteln, nach denen dort im übrigen niemand gefragt hatte bzw. diese nicht gefordert wurden, im Wahlkampf nicht miteinander in unzulässiger Weise vermischen würden. An diesem Punkt haben wir Ihnen wohl zu viel zugetraut und wir müssen bedauerlicherweise erkennen, dass Populismus eines Ihrer Wahlkampfwerkzeuge ist.

Augen auf bei der Arena: Mitnichten ein Millionengrab!

Wir, die Fanrat-Frauen, nahmen nach Ihrem Auftritt bei der Podiumsdiskussion auch an, dass Sie die Vorteile der Multifunktionsarena verstanden haben:

  • Auch für uns gibt es erstmals nun Toiletten, die ihren Namen verdienen – eigentlich eine Selbstverständlichkeit, für die die Stadt sich lange nicht zuständig fühlte.
  • Auch für uns ist es wundervoll, bei regnerischem Wetter ein Dach über dem Kopf zu haben.
  • Auch für uns ist die Kulturstätte Multifunktionsarena eine wundervolle neue Einrichtung in der Stadt. Wir haben neben dem Kulturerlebnis Fußball hier bereits andere kulturelle Highlights erleben dürfen, sei es im neu gebauten Parksaal ein tolles Bach-Konzert, sei es die so eindrückliche Deutsche Leichtathletikmeisterschaft oder sei es das Länderspiel der Deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen gegen Kanada.

Die Fanrat-Frauen möchten Sie an etwas erinnern!

Ein Millionengrab Arena, von dem Sie so oft wider besseren Wissens und zum Schaden der Stadt Erfurt und des FC Rot-Weiß sprechen, können wir bei über 100 Veranstaltungen neben dem Fußball in der Multifunktionsarena nicht erkennen, im Gegenteil. Wer anderes behauptet oder öffentlich meint, dass sich öffentliche Infrastruktur betriebswirtschaftlich rechnen muss und wird, handelt entweder populistisch oder naiv oder beides. Selbstverständlich sind Investitionen und laufende Betriebsausgaben für öffentliche Einrichtungen wie beispielsweise Theater, Schwimmhallen, Stadion, Bibliotheken, Schulen u.v.m. notwendig und sinnvoll. Kulturelle und sportliche Infrastruktur zu schaffen und aufrecht zu erhalten ist und bleibt eine der Kernaufgaben der öffentlichen Hand. Daran möchten wir Sie, im Vertrauen auf Ihre Einsicht und Berücksichtigung in der öffentlichen Kommunikation, freundlich, aber eindrücklich erinnern.

Mit rot-weißen Grüßen
Die Fanrat-Frauen

Erfurt, den 06. April 2018